Mit gepackten Koffern geht es heute weiter nach Zerzevan, zu den Resten einer Römerburg aus dem 4. Jahrhundert. Nicht überall dürfen wir fotografieren – denn die Ausgrabungsarbeiten dauern noch an. Die Arbeiter grüßen uns freundlich. In den Pausen kochen sie sich Kaffee oder Tee auf tragbaren Holzöfen.
Nekropole, Zisternen und ein Mithräum
Erst seit 2014 wird hier gegraben – und doch brachten die Arbeiten bereits jetzt unter anderem einen 22 Meter hohen Wachturm, eine Nekropole, Wohnhäuser und Straßen, Bäder und zahlreiche Zisternen zum Vorschein. Besonders spannend: das unterirdische Mithräum. Römische Legionäre, ausschließlich Männer, huldigten vor allem in den Grenzprovinzen dem geheimnisvollen Mithraskult. Der Kult und die an ihn angelehnte berühmte Stiertötungsszene geben bis heute Rätsel auf. Womöglich badeten die Soldaten im Blut der frisch geschlachteten Tiere, um sich ihre Stärke anzueignen.
Oder war doch alles ganz anders?
Seit 2019 muss die Geschichte des Ortes übrigens wieder umgeschrieben werden. Ein neu entdecktes assyrisches Rollsiegel lässt nämlich darauf schließen, dass die Siedlung mehrere Jahrhunderte älter ist als bislang angenommen.
Hasankeyf: Atemberaubende Bootstour in die Geisterstadt
Nächster Stopp: Hasankeyf. Eine Bootsfahrt bringt uns hier über den Stausee zu einer Geisterstadt – dem nämlich, was vom alten Hasankeyf noch übrig ist. Vor allem Ziegen scheinen hier, in den über dem Wasser gelegenen Höhlen, heute noch zu leben.
Die Umsiedlung von Hasankeyf: Auch in den deutschen Medien präsent
Auch in den deutschen Medien viel berichtet wurde über die erst wenige Jahre zurückliegende Flutung des 12.000 Jahre alten Ortes an der Seidenstraße, der von manchen Archäologen gar als eine der Wiegen der Menschheitsgeschichte bezeichnet wird. „Die steinerne Stadt“ musste im Jahr 2020 einem gigantischen Stausee weichen. Zumindest in Teilen konnte sie aber in ein Freilichtmuseum auf der gegenüberliegenden Uferseite gerettet werden. Auch die Bewohner mussten ihre Häuser verlassen. Auf Kredit konnten sie neue Häuser von der Regierung erwerben. Doch so richtig Leben mag in der Neubausiedlung nicht einkehren, die Häuser wirken alle wie aus einem Guss.
Rekonstruierung alter Gebäude: Stein für Stein
Das Stausee-Projekt sorgte für internationalen Protest, denn nicht alle historischen Gebäude konnten gerettet werden. So befindet sich die mutmaßlich erste Mautbrücke der Menschheit heute unter den Fluten. Andere Gebäude des alten Hasankeyf wurden jedoch in Kleinstarbeit wieder zusammengesetzt. Das imposante turkmenische Mausoleum von Zeynel Bey aus dem 15. Jahrhundert wurde sogar im Ganzen auf einem Hänger über die Brücke transportiert. Ein kleiner Trost: Immerhin ist Hasankeyf so der Nachwelt nicht ganz verloren gegangen – auch wenn das neue Freilichtmuseum dem Besucher ähnlich gespenstisch anmutet wie die Retortensiedlung.
Abendstimmung in Midyat
Eine kurze Busfahrt bringt uns schließlich an unser letztes Ziel des Tages. Aufgeregt beobachten wir, wie der Busfahrer versucht durch die verwinkelten Gassen Midyats zu manövrieren, um so möglichst nah an unser Hotel heranzukommen. Eine echte Herausforderung! Wie durch ein Wunder klappt es dann doch. Das Hotel selbst hat noch weitere Überraschungen für uns parat. Gleich hinter dem Empfang werden wir nämlich von einem Papagei begrüßt. Während das hilfsbereite Personal sich erst mal ums Gepäck kümmert (denn tatsächlich muss man sich beim türkischen Check-In in etwas Geduld üben, das haben wir bereits bei den vorherigen Stationen bemerkt), vertreiben wir uns die Zeit im Innenhof. Hier plätschert ein Brunnen, Sandsteinstiegen führen hinauf zu verwinkelten Dachterrassen, überall warten gepolsterte Sitzgelegenheiten mit weiten Blicken über die Stadt.
Hat hier jemand Ziegen meckern gehört?
Bald sind die Zimmer bezogen, das Gepäck ist verstaut. Der Sonnenuntergang taucht Häuser und Straßen Midyats in sanftes Ocker, und hat irgendjemand gerade Ziegen meckern gehört? Tatsächlich – die Nachbarin von gegenüber wirft den Tieren noch einen Schlappen hinterher. Urig ist das, und so lassen wir einen weiteren aufregenden Tag gemütlich ausklingen. Da sieht man gerne darüber hinweg, dass der Zustand der Zimmer nicht vollends dem mitteleuropäischen Standard entspricht.
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